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Mein Käthchen top 
Mein Käthchen fordert zum Lohne
Von mir ein Liebesgedicht.
Ich sage: Mein Käthchen verschone
Mich damit, ich kann das nicht;

Ob überhaupt ich dich liebe
Das weiss ich nicht so genau;
Zwar sagst du ganz richtig, das bliebe
Gleichgültig; doch, Käthchen, schau:

Wenn ich die Liebe bedichte,
Bedicht' ich sie immer vorher,
Denn wenn vorbei die Geschichte,
Wird mir das Dichten zu schwer.

Frank Wedekind, 1864-1918

Im Grase top 
Süsse Ruh, süsser Taumel im Gras,
Von des Krautes Arome umhaucht,
Tiefe Flut, tief tief trunkne Flut,
Wenn die Wolk am Azure verraucht,
Wenn aufs müde, schwimmende Haupt
Süsses Lachen gaukelt herab,
Liebe Stimme säuselt und träuft
Wie die Lindenblüt auf ein Grab.

Wenn im Busen die Toten dann,
Jede Leiche sich streckt und regt,
Leise, leise den Odem zieht,
Die geschlossne Wimper bewegt,
Tote Lieb, tote Lust, tote Zeit,
All die Schätze, im Schutt verwühlt,
Sich berühren mit schüchternem Klang
Gleich dem Glöckchen, vom Winde umspielt.

Stunden, flüchtger ihr als der Kuss
Eines Strahls auf den trauernden See,
Als des ziehenden Vogels Lied,
Das mir nieder perlt aus der Höh,
Als des schillernden Käfers Blitz,
Wenn den Sonnenpfad er durcheilt,
Als der heisse Druck einer Hand,
Die zum letzten Male verweilt.

Dennoch, Himmel, immer mir nur
Dieses eine mir: für das Lied
Jedes freien Vogels im Blau
Einen Seele, die mit ihm zieht,
Nur für jeden kärglichen Strahl
Meinen farbig schillernden Saum,
Jeder warmen Hand meinen Druck,
Und für jedes Glück meinen Traum.


Annette von Droste-Hülshoff, 1797-1848

Letzte Worte top 
Geliebte, wenn mein Geist geschieden,
So weint mir keine Träne nach;
Denn, wo ich weile, dort ist Frieden,
Dort leuchtet mir ein ewger Tag!

Wo aller Erdengram verschwunden,
Soll euer Bild mir nicht vergehn,
Und Linderung für eure Wunden,
Für euern Schmerz will ich erflehn.

Weht nächtlich seine Seraphsflügel
Der Friede übers Weltenreich,
So denkt nicht mehr an meinen Hügel,
Denn von den Sternen grüss ich Euch!


Annette von Droste-Hülshoff, 1797-1848

Feuerfarb top 
Ich weiss eine Farbe, der bin ich so hold,
die achte ich höher als Silber und Gold,
die trag' ich so gerne um Stirn und Gewand,
und habe sie Farbe der Wahrheit genannt.

Wohl reizet die Rose mit sanfter Gewalt;
doch bald ist verblichen die süsse Gestalt:
drum ward sie zur Blume der Liebe geweiht;
bald schwindet ihr Zauber vom Hauche der Zeit.

Die Bläue des Himmels strahlt herrlich und mild;
drum gab man der Treue dies freundliche Bild.
Doch trübet manch ein Wölkchen den Äther so rein;
so schleichen beim Treuen oft Sorgen sich ein.

Die Farbe des Schnees, so strahlend und licht,
heisst Farbe der Unschuld; doch dauert sie nicht.
Bald ist es verdunkelt, das blendende Kleid:
So trüben auch Unschuld Verleumdung und Neid.

Und Frühlings, von schmeichelnden Lüftchen entbrannt,
trägt Wäldchen und Wiese der Hoffnung Gewand.
Bald welken die Blätter und sinken hinab:
so sinkt der Hoffnungen liebste ins Grab.

Nur Wahrheit bleibt ewig, und wandelt sich nicht:
sie flammt wie der Sonne alleuchtendes Licht.
Ihr hab' ich mich ewig zu eigen geweiht.
Wohl dem, der ihr blitzendes Auge nicht scheut!

Warum ich, so fragt ihr, der Farbe so hold,
den heiligen Namen der Wahrheit gezollt? -
Weil flammender Schimmer von ihr sich ergiesst,
und ruhige Dauer sie schützend umschliesst.

Sophie Mereau(-Brentano), 1770-1806

Die Gottheit top 
Als einst dem Chaos werdender Gestalten,
Sich auch der Mann mit stolzer Form entzogen,
Der Gottheit Bilder noch auf heil'gen Wogen,
Mit reinen Strahlen in dem Reinen wallten.

Da fühlt er schnell die heil'ge Glut erkalten,
Das Bild der Göttlichkeit ist ihm entflogen;
Zum Tier fühlt er sich schnell herabgezogen,
Und ringt mit ihm um herrschende Gewalten.

Bald ward das Weib - es führt der Seraph Liebe,
Sie dem Gesunknen zu - und sanfte Triebe
Umschlingen ihn mit himmlischem Gefieder.

Als liebend er der Liebe sich ergeben,
Sieht er die Schönheit jeder Form entschweben;
Und nur in ihr find't er die Gottheit wieder!

Sophie Mereau(-Brentano), 1770-1806

Ohne Titel top 
am 10. Oktober 1803 als Beilage zu einem Brief an Clemens Brentano

Strebet mutig, meine Geister,
noch ist nicht die Höh erreicht!
wer noch nicht des Lebens Meister
ringe, bis er sie ersteigt!

Will die Zeit doch wieder kommen,
wo das Herz in Freude schwimmt
alles Leid ist dem entnommen,
den die Liebe zu sich nimmt.

Schon in meinem Spiegel
strahlt mir eine Welt voll Lust,
und das Leben regt die Flügel
mächtiglich in meiner Brust.

Zweige wehn wie Freudenfahnen,
Morgenrot ist Liebesschein,
und der Vögel süßes Mahnen
kehr in meinen Busen ein.

Wieder will ich Lieder singen,
Leben, wieder Dich verstehen,
und auf Deinen leichten Schwingen
durch die grünen Täler gehen.

Sophie Mereau(-Brentano), 1770-1806

Schwärmerei der Liebe top 
Wo über Gräbern die Zypresse trauert,
weilt oft, von trauriger Beruhigung
und unbekannten Ahndungen durchschauert,
mit nassem Auge die Erinnerung.

Und auf der Hoffnung sanft verklärten Wegen
wallt der Verlassne in den Ätherhain
der bessern Welt dem fernen Freund entgegen,
und findet ihn in heil'gem Dämmerschein.

Wie glücklich der, dem jenes Auferstehens
geweihte Hoffnung durch die Seele dringt!
Wie glücklich, wenn der Traum des Wiedersehns
um ihn den lichten Seraphsfittich schwingt!

Uns wird es nicht, jetzt da wir bebend scheiden,
Geliebter, dieser schönen Hoffnung Glück.
Uns zwang Vernunft, den holden Wahn zu meiden,
und schüchtern floh er ihren Strahlenblick.

Wenn um das hohe, starkgefühlte Leben,
das Göttliche, das uns im Innern glüht,
sich einst auch neue, schön're Formen weben,
ein andres Sein aus diesen Trümmern blüht;

Was ist dem Geist, zu neuem Sein geboren,
dann, was hienieden ihn zum Gott entzückt?
Mit jedem Sinn ging eine Welt verloren,
und seine schönsten Blüten sind zerknickt.

Zertrümmert ist, in seinen feinsten Tiefen,
das holde Saitenspiel in unsrer Brust,
wo aller Lebensfreuden Keime schliefen;
wir blieben keiner, keiner uns bewusst!

In welches Labyrinth bin ich verschlungen?
Hat eine traurige Notwendigkeit
mir dieses Leben furchtbar aufgedrungen?
O, Liebe! löse du den bangen Streit!

Ja, ich empfand, als ich mit süssem Beben
der Liebe Glut aus deinen Blicken sog,
und heiliges, noch nie emfundnes Leben,
mit Götterkraft durch meine Seele flog,

Als sich zuerst mit schwindelndem Entzücken
mein trunkner Geist um deine Seele schlang,
dass, namenlos durch mich zu beglücken,
der Liebe Allmacht mich ins Leben zwang.

Getrennt von dir - was kann die Welt mir geben,
das meiner Seele heisses Sehnen stillt?
Was soll mir jetzt das liebesleere Leben,
wo nirgends Ruh für meine Sehnsucht quillt?

Wo unentfaltet der Empfindung Blüte,
von Harmonie nicht mehr geweckt, verdirbt,
und was mit Ätherglut den Geist durchglühte,
von deinem Geist verlassen, fruchtlos stirbt;

Wo sich der Freude zarte Rosen bleichen,
der Baum der Hoffnung keine Blüten treibt,
die Phantasien traurig von mir weichen,
und, ach! entseelt die Wirklichkeit mir bleibt.

Und doch - das Lüftchen, das mich kühlet, küsste
vielleicht den Seufzer von der Lippe dir;
Und jenen Stern, der still mir winkt, begrüsste
vielleicht ein liebefeuchter Blick von dir.

Ich flöh die Welt, verlernte dich zu lieben?
dein süsses Bild entwich' auf ewig mir?
und so entsagt' ich meinen bessern Trieben,
und würde treulos meiner Glut und dir?

Nein! böt' ein Gott, mit freundlichem Erbarmen,
aus Lethes Fluten eine Schale mir,
ich nähm' die Schale nicht aus seinen Armen,
und lebte ewig meinen Schmerz und dir.

Ach! wirst auch du, wenn mit dem letzten Sterne
der Nähe süsse Nahrung uns versiegt,
und dann aus tiefer, hoffnungsloser Ferne
im öden Raum der trunkne Blick verfliegt.

Wenn nun die Zeit, von Hoffnung nicht erheitert,
der Freundin Bild mit Nebelflor behängt,
und jeder Augenblick die Kluft erweitert,
die grausend zwischen Geist und Geist sich drängt:

Wirst du auch dann die süssen Qualen teilen?
von zarten Phantasien eingewiegt,
in stillen Träumen liebend zu mir eilen,
wenn zwischen uns, ach! Raum und Zeit nun liegt?

Wird dann das Glück von unsern schönern Tagen
dein höchstes Ideal auf ewig sein? -
Ich ahne, Selmar, deine sanften Klagen:
durch eignen Schmerz begreif' ich deine Pein.

Nein, klage nicht! - Wenn neue Freuden winken,
wenn dir die Hoffnung frische Kränze flicht,
so lass mein Bild in stillen Schlummer sinken:
- auch solche Opfer scheut die Liebe nicht!

Ich will - der Liebe Götterhoheit sieget -
dein Herz von fremden Trieben glühen sehn,
und, wie ein Strahl, der in der Luft verflieget,
in deiner Seele ewig untergehen.

Doch, Selmar, nein! - Kann Liebe untergehen?
ward die Natur sich selbst je ungetreu?
Kann Harmonie wie Frühlingshauch verwehen?
und wird dein Ideal dir wieder neu?

Die Lieb' ist ewig! Ihren Harmonien
folgt treu die ganze bildende Natur;
und werd' auch ich in neuen Formen glühen,
so folg' ich ewig ihrer Rosenspur.

Nie wird der hohe Einklang untergehen,
der uns vereint. - Ich will, an dich gebannt,
mich als Planet um eine Sonne drehen,
den Lichtstrahl saugen von dir hergesandt;

Im Wetterstrahl mich dir entgegen stürzen,
als Blume dir die Gattenblume sein,
im Blütenduft mit dir die Lüfte würzen,
und gaukelnd mich mit dir als Vogel freun.

Im Schöpfungskreis stets von dir angezogen,
vermählt uns ewig heil'ge Sympathie!
Im Sternentanz und im Gesang der Wogen
weht uns Ein Geist, der Liebe Harmonie!

Sophie Mereau(-Brentano), 1770-1806

Im wunderschönen Monat Mai top 
Im wunderschönen Monat Mai
Als alle Knospen sprangen,
Da ist in meinem Herzen
Die Liebe aufgegangen.

Im wunderschönen Monat Mai,
Als alle Vögel sangen,
Da hab ich ihr gestanden
Mein Sehnen und Verlangen.

Heinrich Heine, 1797-1856

Wir fuhren allein im dunkeln top 
Wir fuhren allein im dunkeln
Postwagen die ganze Nacht;
Wir ruhten einander am Herzen,
Wir haben gescherzt und gelacht.

Doch als es morgens tagte,
Mein Kind, wie staunten wir!
Denn zwischen uns sass Amor,
Der blinde Passagier.

Heinrich Heine, 1797-1856

Die schöne Nacht top 
Nun verlass' ich die Hütte,
Meiner Liebsten Aufenthalt,
Wandle mit verhülltem Schritte
Durch den öden, finstern Wald:
Luna bricht durch Busch und Eichen,
Zephir meldet ihren Lauf,
Und die Birken streun mit Neigen
Ihr den süssten Weihrauch auf.

Wie ergötz' ich mich im Kühlen
Dieser schönen Sommernacht!
O wie still ist hier zu Fülen,
Was die Seele glücklich macht!
Lässt sich kaum die Wonne fassen;
Und doch wollt' ich, Himmel, dir
Tausend solcher Nächte lassen,
Gäb' mein Mädchen eine mir.

Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1828

Liebesnacht im Haine top 
Um uns her der Waldnacht heilig' Rauschen
Und der Büsche abendlich' Gebet,
Seh ich dich so lieblich bange lauschen,
Wenn der West durch dürre Blätter weht.

Und es ist so traulich dann, so stille
Wenn ihr zarter Arm mich fest umschlingt
Und ein einz'ger liebevoller Wille
Unsrer Seelen Zwillingspaar durchdringt.

Fest an dich gebannt, in dich verloren,
Zähle ich an deines Herzens Schlag
Liebesstammelnd jeden Schritt der Horen.
Scheidend küsset uns der junge Tag.

Clemens Brentano, 1778-1842

An die Entfernte top 
Diese Rose pflück ich hier,
In der fremden Ferne;
Liebes Mädchen, dir, ach dir
Brächt ich sie so gerne!

Doch bis zu dir mag ziehn
Viele weite Meilen,
Ist die Rose längst dahin,
Denn die Rosen eilen.

Nie soll weiter sich ins Land
Lieb von Liebe wagen,
Als sich blühend in der Hand
Lässt die Rose tragen,

Oder als die Nachtigall
Halme bringt zum Neste,
Oder als ihr süsser Schall
Wandert mit dem Weste.

Nikolaus Lenau, 1802-1850

Die Liebe top 
Die Liebe hemmet nichts; sie kennt nicht Tür noch Riegel
Und dringt durch alles sich;
Sie ist ohn' Anbeginn, schlug ewig ihre Flügel
Und schlägt sie ewiglich.

Matthias Claudius, 1740-1815

Der Tod und das Mädchen top 
Das Mädchen
Vorüber! Ach, vorüber!
Geh wilder Knochenmann!
Ich bin noch jung, geh Lieber!
Und rühre mich nicht an.

Der Tod
Gib deine Hand, du schön und zart Gebild!
Bin Freund, und komme nicht, zu strafen.
Sei gutes Muts! ich bin nicht wild,
Sollst sanft in meinen Armen schlafen!

Matthias Claudius, 1740-1815

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Liebesglück top 
O wie so leicht in seligen Genüssen
Sich mir die Stunden jetzt dahinbewegen!
Ins Auge schau' ich dir, bist du zugegen,
Und von dir träum' ich, wenn wir scheiden müssen.

Oft zügeln wir die Sehnsucht mit Entschlüssen,
Doch will sich stets ein neu Verlangen regen,
Und wenn wir kaum verständ'ger Rede pflegen,
Zerschmilzt sie wieder uns und wird zu Küssen.

Der erste weckt Begier nach tausend neuen,
Es folgt auf Liebeszeichen Liebeszeichen,
Und jedes scheint uns höher zu erfreuen.

Nun erst begreif' ich ganz den Lenz, den reichen,
Wenn er nicht endet, Rosen auszustreuen,
Die alle schön sind und sich alle gleichen.

Emanuel Geibel, 1815-1884

Eros, der Schenk top 
Ich wähle mir den Liebesgott zum Schenken,
Er füllt den Becher mir aus Zauberkrügen
Und weiss das Herz in seliges Genügen,
Den Sinn in süssen Taumel zu versenken.

Auch lehrt er mich, zu holdem Angedenken
Den Wein zu schlürfen in bedächt'gen Zügen,
Zu zartem Grusse Reim in Reim zu fügen
Und sanft der Musen weisses Ross zu lenken.

Und wenn des Abends Schatten sich verbreiten
Und müd' ich ruhe von des Tages Genusse,
Erregt er sacht der Zither goldne Saiten.

Da muss im Schlaf gleich Wimpeln auf dem Flusse
Manch hohes Traumbild mir vorübergleiten,
Bis mich der Morgen weckt mit ros'gem Kusse.

Emanuel Geibel, 1815-1884

Mein Herz ist wie die dunkle Nacht top 
Mein Herz ist wie die dunkle Nacht,
Wenn alle Wipfel rauschen;
Da steigt der Mond in voller Pracht
Aus Wolken sacht -
Und sieh, der Wald verstummt in tiefem Lauschen

Der Mond, der helle Mond bist du,
Aus deiner Liebesfülle
Wirf einen, einen Blick mir zu
Voll Himmelsruh -
Und sieh, dies ungestüme Herz wird stille.

Emanuel Geibel, 1815-1884

Venedig top 
An der Brücke stand
Jüngst ich in brauner Nacht.
Fernher kam Gesang:
Goldener Tropfen quoll's
Über die zitternde Fläche weg.
Gondeln, Lichter, Musik -
Trunken schwamm's in die Dämmrung hinaus ...

Meine Seele, ein Saitenspiel,
Sang sich, unsichtbar berührt,
Heimlich ein Gondellied dazu,
Zitternd vor bunter Seligkeit.
- Hörte jemand ihr zu? ...

Friedrich Nietzsche, 1844-1900

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